Aktuelles und Neuigkeiten
Das 74. Festival junger Künstler Bayreuth fand im Juli und August 2024 unter dem Generalthema „ZU:KUNFT“ statt.
Lesen Sie nachstehende Berichte von 2024, 2023, 2022, 2021, 2020, 2019 und 2018 und das Presseecho.
Wir sind dabei:
74. Festival ging mit dem Thema ZU:KUNFT in die Saison
Im Focus Musik aus Lateinamerika, „Blaurosa. Klassik Recycled!“, „Alte Ohren – Neue Augen“ …
Mehr lesen ... 74. Festival ging mit dem Thema ZU:KUNFT in die Saison
Polizeiorchester Bayern gab Benefizkonzert in Stadtkirche
Konzert für junge Künstler am 15.03.24
Mehr lesen ... Polizeiorchester Bayern gab Benefizkonzert in Stadtkirche
Viel Beifall nach gloriosem Finale
Abschlusskonzert des 73. Festival junger Künstler Bayreuth
„Genie trifft Künstliche Intelligenz!“ - Auflösung des KI-Rästels
vom Abschlusskonzert des KI-Workshops
Mehr lesen ... „Genie trifft Künstliche Intelligenz!“ - Auflösung des KI-Rästels
Wie die Idee zum eigenen Festival-Schmuck entstand
im Gespräch mit Julia Förster-Oetter (#meingoldschmiedehandwerk)
Mehr lesen ... Wie die Idee zum eigenen Festival-Schmuck entstand
Sophias Werkstatt – Lost (in) Nature
Projektabschlusskonzert mit Werken von u. a. van Eyck, A. Vivaldi, C. Debussy
Rituals? Ja, bitte!
Intendantin Dr. h. c. Sissy Thammer zum 73. Festival junger Künstler Bayreuth
"Ein echtes Zukunftsfest"
Grußwort unseres Schirmherren StsMin Markus Blume zum 73. Festival
Tradition trifft Innovation
Die Entstehungsgeschichte des Keyvisuals „RITUALS“ mittels KI
Education-Projekt gestartet - Spender ermöglichen Workshops
Junge Menschen lernen Body Percussion
Mehr lesen ... Education-Projekt gestartet - Spender ermöglichen Workshops
Wie unser Jahresprogramm entsteht
im Gespräch mit unserer künstlerischen Betriebsdirektorin Dr. Isabel von Bredow-Klaus
Carl-Orff-Gesangswettbewerb und Meisterkurs
mit Petra Lang (Gesang) und Adrian Baianu (Vocal Coach)
Polizeiorchester Bayern spielt "Die Passion" in der Stadtkirche Bayreuth
Konzert für junge Künstler am 31.03.23
Mehr lesen ... Polizeiorchester Bayern spielt "Die Passion" in der Stadtkirche Bayreuth
72. Festival: Zwei Uraufführungen und eine Weltpremiere
„Zeitgemäß & zeitlos“ - 400 Teilnehmende aus 21 Nationen erarbeiteten 80 Veranstaltungen
Mehr lesen ... 72. Festival: Zwei Uraufführungen und eine Weltpremiere
Uraufführung "Man braucht die Augen, um zu hören" - 72. Festival
Die Premiere des Projekts „Man braucht das Auge, um zu hören …“ wurde mit großem Erfolg aufgeführt.
Mehr lesen ... Uraufführung "Man braucht die Augen, um zu hören" - 72. Festival
University of Illinois Electric Strings / Hip-Hop Collective
beim 72. Festival junger Künstler Bayreuth 2022
Mehr lesen ... University of Illinois Electric Strings / Hip-Hop Collective
„Mythos Prometheus“ beim 71. Festival junger Künstler Bayreuth
Publikum feiert Uraufführung des Musiktheaters
Mehr lesen ... „Mythos Prometheus“ beim 71. Festival junger Künstler Bayreuth
Interkultureller Austausch über klassische Kompositionen
Erfolgreiches Klavierpädagogikprojekt des 71. Festival junger Künstler Bayreuth
Mehr lesen ... Interkultureller Austausch über klassische Kompositionen
Endlich wieder live - viel Beifall für hinreißende Kammerkonzerte
Polizeiorchester Bayern spielt in der Stadtkirche für junge Künstler
Mehr lesen ... Endlich wieder live - viel Beifall für hinreißende Kammerkonzerte
Endlich wieder live. Hoffnungsvolle Klangperspektiven
Kammerorchester der Bayerischen Polizei spielt für junge Künstler
Mehr lesen ... Endlich wieder live. Hoffnungsvolle Klangperspektiven
„Summer of Love“ 2020 - Konzerte, Open Airs und Workshops
Festival gestaltet 70-jähriges Jubiläum
Mehr lesen ... „Summer of Love“ 2020 - Konzerte, Open Airs und Workshops
Anfang und Ende: Marimba-Spielerin begeistert auf J. S. Bachs Spuren
Polizeiorchester spielt für junge Künstler
Mehr lesen ... Anfang und Ende: Marimba-Spielerin begeistert auf J. S. Bachs Spuren
Polizeiorchester Bayern auf „Johann Sebastians Spuren“
Benefizkonzerte 2019 für junge Künstler
Mehr lesen ... Polizeiorchester Bayern auf „Johann Sebastians Spuren“
Uraufführung „Friedelind: Eine Wagner!“
Die Proben haben begonnen
Die Musik als Botschafter über alle Grenzen hinweg!
Wie die schönste Sprache der Welt einen neuen Anstrich verleihen kann!
Mehr lesen ... Die Musik als Botschafter über alle Grenzen hinweg!
Grußwort zum 68. Festival junger Künstler Bayreuth
Lesen Sie das Grußwort der Intendantin Sissy Thammer zum 68. Festival
Mehr lesen ... Grußwort zum 68. Festival junger Künstler Bayreuth
Das Generalthema 2018: "Roots to the future. Reloaded."
Wir freuen uns auf einen musik-reichen und kunstvollen Sommer in Bayreuth!
Mehr lesen ... Das Generalthema 2018: "Roots to the future. Reloaded."
Der Philosoph, Hochschullehrer und Bestsellerautor Dr. Christoph Quarch hat für das Festival junger Künstler Bayreuth im Sommer 2020 diesen Essay geschrieben.
In seinen zahlreichen Veröffentlichungen schöpft Dr. Christoph Quarch (*1964) aus der Tradition der europäischen Philosophie, um zeitgemäße Perspektiven für ein gutes persönliches und soziales Leben zu gewinnen. 2020 gründete er die Neue Platonische Akademie, die als Denk-Garten den Geist der Lebendigkeit in der Welt von heute kultivieren möchte.
Und es war Sommer…
Von Schönheit, Liebe und dem großen Ja zur Endlichkeit des Lebens
Es ist Sonnenzeit, ungetrübt und leicht…
(Herbert Grönemeyer)
Sommer. Welche Magie klingt in diesem Wort! Und welche Bilder beschwört es: unbeschwerte Tage in gleißendem Licht, endloses Blau über flimmerndem Land, schläfrige Stunden in mittäglichem Schatten, Kinderlachen am Badesee, Autos mit offenem Verdeck, lichtvolle Nächte und schulfreie Tage. La bella stagione – die schöne Zeit des Üppigen Lebens; die einzige Jahreszeit, der ein Dichter das Prädikat groß verleihen kann; und von der ein Entertainer singen mochte: „Wann wird es endlich wieder Sommer…?“
Liebe. Welche rätselhafte Kraft wohnt diesem Wort doch inne! Wer versteht, was es benennt, scheut sich, laut und öffentlich von ihm Gebrauch zu machen. Denn es nennt das Kostbarste und Heiligste, was das Leben uns zu bieten hat. Es kündet von der Wahrheit unseres Seins, die sich uns in Stunden offenbarte, da die Liebe unser Herz erfüllte, unseren Geist belebte und den Leib durch- glühte. Wer auch einmal nur in seinem Leben in die Liebe fiel, vergisst nie mehr die Dichte und Intensität des Seins, die ihn als Liebende(n) beseelte. Liebe ist der Sommer eines Lebens: Zeit der Reife, Zeit der Blüte, Zeit der Frucht. Liebe ist die Qualität des Lebens, von der ein großer Denker sagte, sie sei der Weisheit letzter Schluss.
Sommer der Liebe – Liebe des Sommers. Mehr geht eigentlich nicht. Wen der Pfeil der Liebe im Sommer trifft, dem ist zu schweigen verwehrt. Wie die Vögel des Himmels muss er singen: „Und es war Sommer. Das erste Mal im Leben.“ (Peter Maffay). Und, ja, natürlich: „Ein Bett im Kornfeld, das ist immer noch frei“ (Jürgen Drews). So wie damals, im Summer of ’69: „Oh, when I look back now, that summer seemed to last forever. And if I had the choice: Yeah, I'd always wanna be there. Those were the best days of my life” (Brian Adams).
Dabei war es eigentlich der Summer of ‘67, der als Summer of Love, als Sommer der Liebe in die Annalen einging: die Blüte der Hippie-Bewegung in San Francisco, wo man sich mit Blumen im Haar und LSD im Hirn zu legendären Happenings im Golden Gate Park traf. Für die die Aussteiger und Künstler, die damals zusammenkamen, war es dieser Sommer, der nicht enden sollte – und es doch tat, als bei dem Event „Death of a Hippie“ am 6. Oktober 1967 ein Hippie symbolisch zu Grabe getragen wurde. Der Sommer der Liebe war vorbei – la bella stagione e stata finita (Riccardo Cocciante). Und was machen wir jetzt?
Die Liebe hört nie auf, und der Sommer kehrt im Zyklus der Natur zurück. Er muss zurückkehren, gerade jetzt, in einer Zeit, die nichts so sehr benötigt wie den Geist der Liebe und Lebendigkeit. Sommer 2020, Post-Corona-Sommer, neues Leben nach der Quarantäne, aber noch geprägt von einer Pandemie des social distancing – jenem Beelzebub, mit dem man den Corona-Teufel austreiben zu müssen glaubte. Sicher, durch das „Abstand-Halten“ und „Maskieren“, durch den Rückzug in die virtuellen, digitalen Räume bzw. in die eigenen vier Wände konnte die Ausbreitung des Covid-19-Virus gebremst und eingedämmt werden. Sicher war es so. Doch der Preis ist hoch, den wir für unsere Sicherheit entrichten mussten: das Lebenswerte, Liebenswerte – menschliche Nähe, menschliche Begegnung, menschliche Verbundenheit; vom Bett im Kornfeld ganz zu schweigen. All das brachten wir willig dar auf dem Altar der kollektiven Sicherheit: als Erstlingsgabe unserer Angst. Den Frühling gaben wir ihr hin.
Nun aber kommt der Sommer. Nun ist es Zeit für die Liebe – hohe Zeit, höchste Zeit. Denn es ist Zeit, die Folgeschäden des social distancing zu heilen. A Mano a Mano, Hand in Hand.
Was ist es mit der Liebe, dass sie heilen kann? Platon (428-348 v.Chr.), der viel- leicht bedeutendste Denker der Liebe, lässt in seinem Dialog „Symposium“ die weise Priesterin und Liebeslehrerin Diotima den Sokrates erklären, die Liebe – Eros – trage dafür Sorge, dass das Ganze mit sich selbst verbunden ist. Sie sei, um es mit einer Formel der Schulphilosophie zu sagen, eine vis unitiva: eine vereinigende, verbindende Kraft. Aufs Ganze gehen, so meinten die Griechen, sorgt der Eros für den inneren Zusammenhalt der Welt im Ganzen, stiftet die Verbundenheit des Kosmos. Daher konnte ein Dichter wie Hesiod von Eros sa- gen, er sei älter denn die Götter und als kosmogene Kraft dem Sein der Dinge eingewoben. Und wo Menschen „in die Liebe fallen“ wird der Eros groß und stark in ihnen. Dann haben sie teil an jener alles verbindenden Kraft und streben danach, Geteiltes zu vereinen, Dissonantes zu harmonisieren, Geschiedenes zu verbinden. Denn der Eros strebe stets nach Harmonie und suche, wo das Gleichgewicht gestört ist, stets danach, es wiederherzustellen. Immer, so Platon, ziele die Liebe auf das Ganze, Heile, Gute, Wahre und Schöne. Immer dränge der im Herzen des Menschen entfachte Eros darauf, dass das Leben zu sich selbst kommt, seine Potenziale entfaltet und in Schönheit erblüht.
Eben das tut Not in diesem Post-Corona-Sommer. Das Programm des social distancing hat Menschen voneinander entfernt – nicht nur physisch, sondern auch mental: Plötzlich meint man, im Leib seines Nachbarn eine Gefahr wittern zu müssen. Plötzlich scheint es angezeigt, sich zu isolieren und zurückzuziehen. Plötzlich ist die Begegnung bedrohlich – die Begegnung, von der ein Martin Buber meinte, sie allein sei das „wirkliche Leben“. Gewiss, als Erste- Hilfe-Maßnahme erschien es naheliegend, Schutzzäune zwischen den Menschen zu errichten. Doch nach Monaten des Abstandhaltens spürt der Mensch, dass ihm das Leben nicht mehr schmecken will, wenn man es mindestens 1,50 Meter entfernt von sich halten muss. Mit jedem Zoom-Chat wächst der Heißhunger und steigt die Lust aufs analoge Du. Menschen brauchen die Verbundenheit, und es ist nicht das Schlechteste, wenn sie sich in der Corona-Zeit da- bei ertappten, feststellen zu müssen, dass die keimfrei-sterile Kommunikation des Internet am Ende nicht ersetzen kann, wovon ein jeder Liebessommer reichlich bietet: physische Nähe, geistige Nähe, seelische Nähe – Zärtlichkeit und Hautkontakt.
Der Mensch ist nicht ein Einzelgänger und erst recht kein Einzelkämpfer. Das zeitgenössische Menschenbild des Homo Oeconomicus, das solches im Anschluss an den englischen Philosophen Thomas Hobbes (1588-1679) behauptet und uns zu ewigen Konkurrenten formatieren will, ist ein folgenschwerer Irrtum, der das social distancing schon lange vor Corona zum Programm erhaben hatte. Das liberalistische Paradigma der Wirtschaft verlangt nach Konsumenten, die nach Maßgabe des Homo Oeconomicus agieren und bei allem was sie tun, sich selbst die Nächsten sind. Und so redet man uns Menschen seit dem 18. Jahrhundert ständig ein, wir seien rationale Egoisten, deren Lebenssinn darin besteht, den eigenen Vorteil zu maximieren. Liebe oder Empathie kommen in diesem Menschenbild nicht vor. Sie erscheinen kitschig oder allenfalls als nice-to-have, keineswegs jedoch als das, was sie in Wahrheit sind: ein must-have. Denn der Mensch ist nicht das hostiles Wesen, das die Propagandisten des Neoliberalismus in ihn sehen wollen. Er ist ein Wesen der Verbundenheit, dessen Sein sich nur in Beziehung zu anderen konstituiert – und das seine wirkliche Erfüllung nur da findet, wo seine Verbundenheit mit anderen sich zur höchsten Intensität der Zugehörigkeit steigert: in der Liebe.
Wer in der Liebe lebt, lebt in der Wahrheit. Liebe ist erfülltes Menschsein. Sie ist die Antwort auf alle Sinnfragen, die sich gerade in den Zeiten der Corona- Krise so machtvoll aufdrängten. Dass wir ohne die Verbundenheit in Liebe nur ein Schattendasein führen, ist eine Einsicht, die das Virus lehren könnte. So- wohl denjenigen, denen das Fehlen der Verbundenheit durch das social distancing schmerzhaft spürbar wurde, als auch den anderen, vom Glück Begünstigten, die erfahren durften, dass die Liebe jedes social distancing zu überwinden vermag und sich durch keine Plexiglas-Scheibe, durch keine Maske und durch keinen Mindestabstand aufhalten lässt. Wer als Liebender die Zeit der Pandemie erlebte, hatte jedenfalls die Chance, trotz aller erzwungenen Abstandnahme in Verbundenheit und Zugehörigkeit zu leben – und im Übrigen gesund zu blieben, denn ein besserer Immunschutz ist für Wesen der Verbundenheit nicht möglich.
Wo die Liebe in der Seele eines Menschen waltet, da herrscht Sommer. Da fließt ihr die Energie des Kosmos reichlich zu, da ist sie ganz bei sich, weil sie so ganz im Ganzen aufgeht. Und weil sie ganz im Ganzen aufgeht, wächst ihr von dort ein Wissen zu, das sie auch mental stärkt und kräftigt: das Wissen um das Eingebundensein ins große Netz des Lebens, der Zugehörigkeit zum Leben der Natur. Wer die Liebe kennt, kann nachvollziehen, was der Dichter Friedrich Hölderlin (1770-1843) vor gut zweihundert Jahren in seinem Roman
„Hyperion“ einer anderen Diotima in den Mund legte – der Geliebten des Titelhelden, die kurz von ihrem Tod an ihren Liebsten schreibt: „Ich werde sein. Wie sollt‘ ich mich verlieren aus der Sphäre des Lebens, worin die ewige Liebe, die allen gemein ist, die Naturen alle zusammenhält? wie sollt ich scheiden aus dem Bunde, der die Wesen alle verknüpft? Der bricht so leicht nicht, wie die losen Bande dieser Zeit. Der ist nicht, wie ein Markttag, wo das Volk zusammenläuft und lärmt und auseinandergeht. Nein! bei dem Geiste, der uns einiget, bei dem Gottesgeiste, der jedem eigen ist und allen gemein! nein! nein! im Bunde der Natur ist Treue kein Traum. Wir trennen uns nur, um inniger einig zu sein, göttlicher friedlich mit allem, mit uns. Wir sterben, um zu leben.“
Als Virtuose des social distancing wird der Homo Oeconomicus der Gegenwart in solchen Worten nichts als Kitsch erkennen und sich somit um das Beste bringen, was das Leben auch für ihn bereithält. Er, der auf dem Marktplatz heimisch ist und immer nur in Konkurrenz zu anderen dem eigenen Vorteil huldigt, ahnt nichts von der Freiheit, die Diotima erfahren hat: die Freiheit, die aus der Verbundenheit erwächst und deren Tugend Treue ist; die Freiheit, die im Frieden mit dem Leben ist und deshalb auch den Tod bejahen kann; die Freiheit, die darin beruht, dass in der Glut der liebenden Verbundenheit mit Mensch und Welt zuletzt die Angst vor dem Tod dahingeschmolzen ist – und die Diotima die unerhörten Worte sprechen lässt: „Zu sein, zu leben, das ist genug“. Diese Freiheit nennt sie auch: „die Götterfreiheit, die der Tod uns schenkt.“
Für den liebesfernen Menschen unserer Tage klingt ein Wort wie dieses skandalös. Für ihn ist die Angst, im Tod den Fetisch zu verlieren, dem das ganze Leben unterworfen warf – das eigene Ich – so selbstverständlich, dass er sich nicht vorstellen kann, es sei Menschen möglich, auch den Tod in Liebe zu um- fangen. Dass die Liebe stärker als der Tod ist, kann er nicht verstehen und vertraut in dieser Angelegenheit deshalb lieber auf die Werkzeuge von Wissenschaft und Technik, die ihm neuerdings in Aussicht stellen, als digital optimier- ter Homo Deus der eigenen Endlichkeit entrinnen und als Mensch-Maschine- Mischwesen dem Tod von der Schippe springen zu können. Dafür ist er gar bereit, die eigene Lebendigkeit zu opfern – sich von seiner Leiblichkeit zu lösen, aller Intensität von Freude und Leid zu entsagen, um ja nur bis ans Ende aller Tage seinem Ego zu huldigen und seinen endlosen Hunger nach einer Erfüllung zu stillen, die er nie finden wird; solange er sich nicht in Liebe hinzugeben wagt. Auch für diese Menschen hat Hölderlin im „Hyperion“ ein passendes Wort bereit: „Die Armen, die nichts kennen, als ihr dürftig Machwerk, die der Not nur dienen und den Genius verschmähn, und dich nicht ehren, kindlich Leben der Natur! die mögen vor dem Tode sich fürchten. Ihr Joch ist ihre Welt geworden; Besseres, als ihren Knechtsdienst, kennen sie nicht.“
Ohne den guten Geist der Liebe und Lebendigkeit werden wir den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht gewachsen sein. Social distancing ist nicht die Lösung, sondern das Problem, denn anstatt Verbundenheit und Zugehörigkeit zu kultivieren, treibt es in die Einsamkeit und Angst. Nicht nur wird dadurch die Resilienz einer ganzen Gesellschaft geschwächt, sondern sie nimmt sich dadurch verhängnisvoller Weise genau das, was sie eigentlich am meisten braucht: die Freiheit, die aus Liebe wächst, und die es ihr erlaubte, gelassener mit den Bedrohungen umzugehen, die das Virus mit sich bringt. Müssen wir denn wirklich aus Angst vor dem Tod unser kulturelles und soziales Leben zum Erliegen bringen? Ist es wirklich sinnvoll und vertretbar, alle Qualität des Lebens dafür aufzugeben, seine Quantität um jeden Preis zu steigern? Täten wir nicht gut daran, in Krisenzeiten darauf Wert zu legen, dass die Seele und das Herz des Menschen gut genährt sind, so dass sie in Freiheit und Liebe den Zeitläuften begegnen? Liebende kennen die Antworten auf diese Fragen. Sie wissen um die Qualität des guten und erfüllten Lebens: The best years of their lives – la bella stagione.
Der Sommer ist die Zeit der Schönheit. Und die Schönheit nährt den Eros und die Seele. Deshalb ist ein Sommer der Liebe ohne Schönheit und Kunst ganz und gar undenkbar. Auch der legendäre Sommer ‘67 war ein Gesamtkunst- werk, gesättigt von Musik und Tanz. Schönheit ist die Sonne, die das sommerliche Land mit Liebe flutet, wenn man sie nur walten lässt und sich nicht angst- voll in sterile Räume flüchtet. Dass die Liebe sich an der Schönheit entzündet, ist eine Einsicht, die den Blick noch einmal ins antike Griechenland lenkt.
Schon der Mythos rückte die göttliche Manifestation der unwiderstehlichen Schönheit, Aphrodite, in die nächste Nähe zum Eros, von dem man sich erzählte, er sei ihr Sohn gewesen. Anders ist freilich die Geschichte, die Platon durch den Mund seiner Diotima erzählen lässt, derzufolge die Liebe – der Eros – am Tag der Geburt Aphrodites gezeugt wurde. Die Essenz dieser Geschichten aber bleibt dieselbe: Schönheit ist Voraussetzung der Liebe, so wie umgekehrt die Liebe sich nach Schönheit sehnt und Schönheit zu erzeugen trachtet. Deshalb ist der Eros in der Sicht der alten Griechen immer kreativ und schöpferisch. In ihm vollzieht sich das lebendige und wahre Gespräch des Menschen mit der Welt – der tätig-praktische Vollzug seines Verbundenseins mit allem.
Ergriffen und begeistert von der Erfahrung der Schönheit – in welcher Gestalt auch immer sie sich zeigen mag, antwortet der Mensch mit seiner Liebe, die nun selber Schönheit zeugen muss. So verantwortet der liebende und schöpferische Mensch sein Leben in der Welt, indem er eine Spur der Schönheit hinterlässt. Schönheit aber heißt, wenn wir auch an diesem Punkt der Sicht der Griechen folgen, Stimmigkeit, Verbundenheit des Mannigfaltigen zu 8 einem Ganzen. Schönheit ist das Gegenteil des social distancing, ist Zusammenspiel, Zusammensein in innigster Verwobenheit, Harmonie und Gleichgewicht. Schönheit ist das Licht, in dem das Leben heilen und zu neuer Blüte wachsen kann: das Hervorstrahlendeste und Glänzendste, wie Platon sagte, der sie vorzugsweise mit dem Bild der Sonne illustrierte und als eine Gottheit anerkannte. Und auch Hölderlin scheute sich nicht, die Schönheit als ein Göttliches zu feiern – und die ihr geweihte Religion in der zur wahrhaft menschlichen Lebendigkeit befreienden Liebe zu erkennen.
Sommer. Tage im gleißenden Sonnenlicht. Tage im Lichte der Schönheit. Nährende Tage der Heilung verkühlter Seelen, denen die digitale und soziale Kälte unserer Zeit zu schaffen machen. Liebe. Blühende Lebendigkeit gespickt mit heiterer Gelassenheit und tiefgefühlter Trauer, mit Lachen und Weinen, mit Freude und Leiden – empfunden und echt, berührt vom Geist der Schönheit und der Kunst. Sommer der Liebe und Liebe des Sommers. Die Zeit ist reif.